Vom Streuner zum Schoßhund

Russland hat ein Problem mit streunenden Hunden. Für die Vierbeiner kann jeder Tag über Leben und Tod entscheiden. Vermittler wie die MIRA Hundehilfe Moskau e.V geben ihnen die Chance auf ein normales Leben in einer neuen Familie.

Ein unscheinbarer Pappkarton steht verlassen an einem Feldweg. Lediglich ein leises Winseln macht auf den lebendigen Inhalt aufmerksam. Vier kleine Hundewelpen drängen sich in der vom Regen durchnässten Box. Sie wurden ausgesetzt, mit verschwindend geringen Überlebenschancen zurückgelassen. Trauriger Alltag in Russland.

„Hunde sind in Russland rechtlich fast wertloser Besitz“, erklärt Irina Gröschler. Sie wurde in Russland geboren und hat über 50 Jahre dort gelebt. Seit 2010 engagiert sich die studierte Marketingmanagerin beim Moskauer Tierschutz. Zwar wurde 2018 ein neues Tierschutzgesetz eingeführt, dies sei aber bei weitem nicht so ausgereift wie in Deutschland. Auch gesellschaftlich seien die Vierbeiner bei weitem nicht so hoch angesehen. Während er in Deutschland oft als zusätzliches Familienmitglied gesehen wird, kommt dem Hund hier meist nur eine Rolle als Alarmanlage oder Prestigeobjekt zu.

 

Diese weit verbreitete Ansicht ist auch einer der Hauptgründer für die Vielzahl an Streunern, die insbesondere in Industriegebieten das Stadtbild prägen. Wenn Hunde krank werden oder ihren Reiz für den Besitzer verloren haben, werden sie ausgesetzt und kommen, oft unkastriert, auf die Straße. Das selbe gilt für ungewollte Welpen, die alleine kaum überleben können.

  

Russland hat ein Problem mit streunenden Hunden. Für die Vierbeiner kann jeder Tag über Leben und Tod entscheiden. Vermittler wie die MIRA Hundehilfe Moskau e.V geben ihnen die Chance auf ein normales Leben in einer neuen Familie.

 

Ein unscheinbarer Pappkarton steht verlassen an einem Feldweg. Lediglich ein leises Winseln macht auf den lebendigen Inhalt aufmerksam. Vier kleine Hundewelpen drängen sich in der vom Regen durchnässten Box. Sie wurden ausgesetzt, mit verschwindend geringen Überlebenschancen zurückgelassen. Trauriger Alltag in Russland.

 

 

„Hunde sind in Russland rechtlich fast wertloser Besitz“, erklärt Irina Gröschler. Sie wurde in Russland geboren und hat über 50 Jahre dort gelebt. Seit 2010 engagiert sich die studierte Marketingmanagerin beim Moskauer Tierschutz. Zwar wurde 2018 ein neues Tierschutzgesetz eingeführt, dies sei aber bei weitem nicht so ausgereift wie in Deutschland. Auch gesellschaftlich seien die Vierbeiner bei weitem nicht so hoch angesehen. Während er in Deutschland oft als zusätzliches Familienmitglied gesehen wird, kommt dem Hund hier meist nur eine Rolle als Alarmanlage oder Prestigeobjekt zu.

 

Diese weit verbreitete Ansicht ist auch einer der Hauptgründer für die Vielzahl an Streunern, die insbesondere in Industriegebieten das Stadtbild prägen. Wenn Hunde krank werden oder ihren Reiz für den Besitzer verloren haben, werden sie ausgesetzt und kommen, oft unkastriert, auf die Straße. Das selbe gilt für ungewollte Welpen, die alleine kaum überleben können.

Dieser Hund wurde vor einem Tierheim ausgesetzt.

Natürlich sehen nicht alle Menschen in Russland Hunde mit so einem eigennützigen Fokus. Viele Tierschützer setzen sich täglich für Streuner ein indem sie sie versorgen oder gegebenenfalls in ein Tierheim bringen. Auch Irina war, bevor sie 2015 nach Deutschland kam, viel für in Not geratene Vierbeiner unterwegs. Dabei wurden ihr aber immer wieder die schlimmen Verhältnisse in großen, staatlich finanzierten Tierheimen vor Augen geführt.

 

Tausende Hunde werden hier auf engstem Raum in kleine Boxen gesperrt. Auslauf gibt es höchstens am Wochenende. Die Pfleger verteilen nur manchmal Futter und Wasser. Ein großer Teil der finanziellen Mittel des Staates wird gar nicht für die Tiere genutzt, sondern geht stattdessen an korrupte Heimleiter. „Ich musste einmal wirklich weinen, als ich einen Hund dort abgegeben habe“, erinnert sich Irina. Sie hat mehrere Streuner bei sich zuhause aufgenommen und sogar extra ein kleines Haus für sie gebaut. Allerdings konnte sie sich aus Aufwand- und Platzgründen nur um ein paar Hunde gleichzeitig kümmern.

 

Die kalten Temperaturen werden besonders für Welpen gefährlich.

Das selbe trifft auf die meisten privaten Tierheime zu, die durch Spenden und Geldmittel von reichen Tierschützern finanziert werden. Sie sind praktisch das Gegenstück zu den staatlich unterstützten Heimen: viel Platz für die Hunde sowie Spiele und Training zur Sozialisierung. Irina findet die privaten Tierheime vergleichbar mit denen in Deutschland. Dieser bessere Umgang hat seinen Preis, weshalb nicht zu viele Tiere gleichzeitig in diesen Einrichtungen bleiben können. Dafür haben sie durch den Vermittlungsaufwand, den Tierschützer wie Irina aufbringen, gute Chancen eine neue Familie zu finden.

 

Die Zutraulichkeit vieler Streuner ist für Tierschützer Segen und Fluch zugleich. Einerseits lassen sich die Hunde meist ohne große Probleme einfangen, andererseits sind sie aber auch leichte Beute für Menschen, die ihnen aus unterschiedlichsten Gründen Leid antun wollen. Manche lassen ihre Frustration aus, andere jagen und töten sie für Profit oder sadistischen Spaß. Vor der Fußball-WM 2018 war in vielen Medien von großangelegten „Straßensäuberungen“ die Rede, in denen möglichst viele Hunde gefangen und billig beseitigt werden sollten. Solch groß angelegte Aktionen sind zwar die Ausnahme, zeugen aber trotzdem von den brutalen Bedingungen für Streuner. Dabei kommen auch immer wieder traurige Einzelschicksale zustande. Irina erinnert sich zum Beispiel an zwei Mädchen, die über 30 herrenlose Hunde und Katzen brutal getötet haben sollen. Vor Gericht kamen sie später nur, da sie nackt neben einer Kirche getanzt hatten, die Tiermorde waren praktisch einflusslose Nebenklagen.

Für jedes Negativbeispiel finden sich aber auch viele positive Geschichten von Streunern, die allen Widrigkeiten zum Trotz ein schönes Leben finden konnten. So wie Monty, der zusammen mit seinen Geschwistern als Welpe in einem Sack auf einem Feld ausgesetzt wurde. Seine verkrüppelte Pfote wäre auf den Straßen Russlands ein Todesurteil gewesen. Aber bevor es so weit kommen konnte wurden die tapsigen Vierbeiner in ein privates Tierheim gebracht. Mit einer teuren Operation konnte Montys Fuß gerichtet werden. Unabhängig von seinen Vorerkrankungen kann er heute ein normales Leben in einer liebevollen Familie führen.

Ähnlich gut lief es auch für Jono. Sie wurde von einem Auto überfahren und dabei schwer am Hinterbein verletzt. Eine aufwendige OP, finanziert von den Tierschützern, rettet ihr das Leben. So konnte auch sie ein neues Zuhause finden.

Auch Jono hat sich super entwickelt.

Fälle wie diese motivieren Irina Gröschler dazu, weiterhin ehrenamtlich Hunde zu vermitteln. Sie freut sich darüber, gleichzeitig Mensch und Tier glücklich zu machen. Als sie 2015 nach Deutschland kam um ihren Mann Herbert zu heiraten, verbrachten sie ihre Hochzeitsreise bei einem Seminar. Damit verdienten sie sich die Lizenz zur Hundevermittlung in Deutschland. Zusammen gründeten die beiden 2016 die MIRA Hundehilfe Moskau e.V. im niedersächsischen Bad Bevensen. Im ständigen Kontakt mit russischen Tierschützern vermittelt sie aufgesammelte Hunde an deutsche Familien.

 

Der Prozess ist dabei relativ gleichförmig: Herrenlose Tiere werden in Russland gesichtet, zum Beispiel über soziale Medien, und in private Tierheime gebracht. Hier werden sie sozialisiert und gepflegt. Währenddessen werden Fotos und Videos gemacht, mit denen sich Interessierte auf der Website von MIRA ein Bild von dem Hund machen können. Wenn ein neuer Besitzer gefunden wurde geht es für die Vierbeiner per Flugzeug nach Deutschland, wo Irina sich um sie kümmert bis sie abgeholt werden.

 

Wie lange die Vermittlung dauert hängt vor allem vom Alter und Wesen des Hundes ab. Welpen finden laut Irina am schnellsten ein neues Herrchen oder Frauchen, oftmals schon wenige Monate nachdem sie ins Tierheim kommen. Alte und kranke Tiere brauchen hingegen meist etwas länger. Einige können aber auch gar nicht vermittelt werden. Insbesondere wenn Hunde für eine lange Zeit schlecht behandelt wurden oder jahrelang auf der Straße leben mussten reagieren sie teils sehr ängstlich oder aggressiv.

 

Problematisch wird es für die Tierschützerin besonders dann, wenn ein Vierbeiner schon einige Zeit in einem neuen Haushalt lebt und dann doch noch zurückgebracht wird. Durch die Vermittlungsarbeit hat sie fast immer mindestens drei Hunde im Garten, um die sie sich täglich kümmern muss. Wenn da noch ein vierter oder fünfter hinzukommt ist es für sie sehr aufwendig. Und auch für das Tier stellt der ständige Wechsel eine psychische Belastung dar. Umso mehr freut sich Irina über jede wirklich erfolgreiche Vermittlung, denn sie ist sich sicher: jedes vermittelte Tier ist ein gerettetes Hundeleben und mindestestens ein bereichertes Menschenleben.